Die Nußbaumer Herkulesfigur


Geschichte des Fundes der Statuette

Zur Geschichte des Fundes der Statuette schreibt Josef Adam in seinem Buch Nußbaum Dörfliches Idyll zwischen Pforzheim und Bretten:

„Auch auf Nußbaumer Markung wurden Spuren römischer Besiedlung aufgedeckt, gut 1 km südöstlich des Dorfes nahe der Gemeindegrenze gegen Bauschlott auf ehemals Weiherer Markung. Heute ist an dieser Stelle ein Grundstück, das teils mit Gras bewachsen, teils von Buschwerk und kleinen Bäumen bestanden ist. Den gut sichtbaren Steinwall aus Stücken wohl ehemals römischer Ziegelsteine und –platten haben im Laufe der Jahrhunderte sicher die Bauern aufgeschichtet, als sie von den umliegenden Feldern die Ziegelsteine wegräumten, die sich immer wieder an der Oberfläche zeigten. Wie in Bauschlott befand sich auch hier eine villa rustica. Der Konservator Wagner schreibt im Jahr 1911: „…an einem südlichen Abhang in der Nähe einer Quelle befinden sich Trümmer eines römischen Landsitzes, Mauerreste und quadratische Ziegelplatten. In der Tiefe sei ein Mosaikfußboden
gesehen worden“ [2].

Bereits Ende des 18. Jahrhunderts wurden an diesem Platz Ruinen und andere römische Funde entdeckt, worüber das Amt Derdingen Akten angelegt hat. Darin wird aus der Sicht der damaligen Zeit geschildert, wie im Jahr 1788 auf der Gemarkung des „abgegangenen Fleckens Weiher, die ganz zu Nußbaum gehört, in den Ruinen von Jacob Gaus von Nußbaum eine metallene Figur gefunden wurde“, Die erwähnte Figur ist die 28,5 cm hohe Bronzestatuette, die sich heute im Landesmuseum Württemberg in Stuttgart befindet; sie stellt – wie schon damals der Amtmann vermutete – den jugendlichen Herkules dar, unbekleidet, mit der Keule in der gesenkten Rechten und einem nicht erkennbaren Gegenstand in der halb erhobenen Linken (es handelt sich wohl um die Äpfel der Hesperiden)[2]. Amtmann Mieg, der die Figur damals an den Hof nach Stuttgart bringen ließ, bemerkt dazu: Ein Büchsenschuss vom Fundort entfernt seien unter Schutt die Fundamente einer ehemaligen Burg, eines Schlosses oder vielleicht eines römischen Tempels. Die Lage der in der Nähe gelegenen Felder werde „bei der Schloßmauer“ genannt. Jacob Gaus besaß dort Feldgüter, die meist wüst lagen. Seine Armut aber zwang ihn, seit Jahren diesen Platz urbar zu machen und die Steine und Fundamente herauszugraben; dabei sei er auch auf Säulen gestoßen“.

Nußbaumer Herkules

 
Die Abbildung 1 zeigt das Original der Nußbaumer Herkulesfigur, sie wird im Landesmuseum Württemberg in Stuttgart ausgestellt. Eine originalgetreue Kopie der Statuette ist ab 27. Oktober 2011 im Heimatmuseum in Nußbaum zu besichtigen.

 








Bedeutung der Statuetten zur römischen Zeit

Statuetten

Hans Ulrich Nuber schreibt dazu in seinem Buch Antike Bronzen aus Baden– Württemberg auf Seite 16ff:

„Besondere Vielfalt – nicht nur hinsichtlich Darstellung und Qualität – zeichnet die Gruppe antiker Kleinplastiken aus, die ihrer geringen Größe wegen sigilla genannt wurden. Ihre Höhe betrug meist zwischen 9 und 20 cm, hinzu kommt der mitgegossene oder durch Weichlot verbundene Sockel. Im Ganzen überwiegen Statuetten in Menschengestalt, Tiere oder gegenständliche Abbildungen treten deutlich in den Hintergrund. Wobei besonders bei kleineren Ausführungen häufig nicht mehr festzustellen ist, ob es sich bei diesen nicht um Begleitfiguren von Göttern handelte und sie gemeinsam einen Sockel zierten. Aus Baden-Württemberg sind etwa 100 Statuetten überliefert, aber nicht alle erhalten. Für zwei Drittel ist der Fundort gesichert. In der Reihenfolge ihrer Fundzahlen stehen die größeren, stadtartigen Siedlungen an erster Stelle, gefolgt von den Villen und Militärlagern. Grab-, Fluss- oder sonstige Weihefunde spielen nur eine untergeordnete Rolle. Diese sehr bezeichnende Verteilung spricht dafür, daß die Statuetten in erster Linie häuslichen Kultzwecken dienten.Dieses Fundbild bestätigen auch die Grabungsergebnisse andernorts, vorzugsweise in den verschütteten Vesuvstädten, wo fast jedes Haus seine Kultnische (lararium) besaß, vergleichbar den Hauskapellen oder Herrgottswinkeln, wie sie früher vielen Bauten, besonders im ländlichen Raum eigen waren. In den architektonisch hervorgehobenen bzw. ausgemalten Kultnischen standen meist eine ganze Serie von Götterfiguren aus Holz, Ton oder Metall, allen voran die Beschützer des Hauswesens und der Familie. Ursprünglich im Bereich des Herdfeuers, später, als dieses in der Küche seinen eigenen Raum erhalten hatte, in der Halle (atrium) verblieben, kam den Lararien als Ort der häuslichen Fürbitte und des Dankes besondere Verehrung zu. Die Ausstattung mit Götterfiguren unterlag keiner festen Regel, war vielmehr eine persönliche Angelegenheit, je nachdem unter wessen Schutz die Betreffenden sich besonders gesichert wähnten. Dennoch lassen sich einige Grundzüge erkennen: Neben den allgemein wirkenden Haus- und Familiengöttern (Penaten) und den römischen Staatsgottheiten, folgten vor allem diejenigen, zu denen ein wie immer gearteter persönlicher Bezug bestand.

Häufig finden sich die Bronzestatuetten nur mehr als Einzelfiguren, seltener sind die zugehörigen Sockel erhalten und diese im Regelfall ohne erklärende Inschrift, ein weiteres Zeichen dafür, daß es sich vordergründig um Kultfiguren aus der Privatsphäre handelte, die natürlich auch als Votive gestiftet werden konnten. So sind wir allein auf die Statuette angewiesen, aber im allgemeinen bereitet es kaum Schwierigkeiten, die dargestellte Gottheit zu erkennen, stehen sie doch fast ausnahmslos in ihrer kanonischen Erscheinung vor uns; bisweilen sind sogar ihre Vorbilder noch zurückzuverfolgen. Und dennoch trügt dieses allzu glatte Bild.

Nur selten verraten ungewöhnliche Attribute, wenn etwa Jupiter mit einem Rad erscheint, daß sich hinter dem römischen Abbild in Wirklichkeit eine einheimische Gottheit, hier der keltische Gott Taranis, verbirgt. Caesar beschrieb in seinen Commentarien zum Gallischen Krieg (VI17), dass die Kelten unter den zahlreichen Gottheiten, deren einheimische Namen er leider nicht überlieferte, allen voran Merkur verehrten. Aufgrund ihrer Wirkungsweise setzte er diese Götter mit römischen gleich, ein allgemein zu beobachtendes Verfahren der Antike, dessen sich auch Tacitus bei der Beschreibung der germanischen Götter bediente (Germania43) und das wir, ihm folgend als interpretatio Romana (römische Auslegung) bezeichnen. Man ist zur Entscheidung dieser Frage, ob römische oder einheimische Gottheit, auf erklärende Inschriften angewiesen, die häufiger auf Stein-, seltener auf Bronzesockeln erscheinen.

Hercules

Hierzu schreibt Nuber auf Seite 20 in seinem Buch Antike Bronzen aus Baden– Württemberg:

„Herkules, für den es ebenfalls eine germanische Entsprechung gibt, galt als Gottheit mit fast universaler Wirkungsbreite, ganz allgemein als Vorbild und Helfer zur Überwindung aller Schwierigkeiten, Schützer vor Unheil und Förderer des persönlichen Erfolgs. Kein Wunder, dass besonders Handwerker, Händler und Reisende sich seinem Schutz anvertrauten, ebenso wie die Bauern, die ihn als Gott des Naturlebens, als Beschützer von Haus und Hof anriefen. Er galt als ehrlich und unbestechlich, so dass auch das Geldwesen, Maße und Gewichte sowie Vertragsabschlüsse und Versprechen aller Art unter seinem Namen abgesichert wurden. Herkules tritt in vielfältiger Gestalt auf, jugendlich nackt oder als älterer bärtiger Athlet, häufig mit den Sinnbildern einer seiner zwölf heroischen Taten: so zeigt ihn eine Statuette aus Stuttgart- Bad Cannstatt als Sieger über die Kerynitische Hirschkuh, andere, schlichtere mit erhobener Keule in der Rechten, das Fell des erwürgten Nemeischen Löwen über dem linken Unterarm oder mit gesenkter Keule und den Äpfeln der Hesperiden in der Hand“.

Herstellung der Statuetten (entnommen aus [4])

Die Statuen wurden aus Bronze nach dem Prinzip der verlorenen Form gegossen. Um eine kleine Bronzestatuette zu gießen, schuf der Kunsthandwerker zuerst ein Wachsmodell. Anschließend wurden an verschiedenen Stellen der Figur Wachsstäbe angebracht und über der Figur zu einer Wachstrommel vereinigt. Nun wurde das Wachsmodell mit flüssigem Ton ummantelt. Lediglich der obere Rand der Wachstrommel blieb frei. Nach dem Trocknen wurde die Form gebrannt und das Wachs floss heraus. In den entstandenen Hohlraum wurde nun vorsichtig flüssiges Metall eingefüllt. War die Bronze erkaltet und hart, schlug man den Tonmantel ab und hatte anstelle der Wachsfigur eine aus Bronze. In einem letzten Arbeitsgang wurden die mit Bronze gefüllten Gusskanäle abgefeilt und die Oberfläche der Figur geglättet und poliert.

 

Wissenschaftliche Beurteilung der Nußbaumer Herkulesfigur

Im Standardwerk von Nuber [3] ist die Nußbaumer Herkulesfigur abgebildet und wird auf Seite 96f mit folgendem Kommentar versehen:

„Herkules steht auf dem linken Bein, während das rechte leicht seitlich gestellt ist. Von hier aus durchzieht eine durchgehende Schwingung den Körper, über die nach links ausbiegende Hüfte bis in den nach rechts gebeugten Kopf. Der Heros trägt kurzes gelocktes Haar und ist  völlig unbekleidet. In der rechten Hand hält er die Keule. Der linke Arm ist angewinkelt und in der ausgestreckten Hand sind wohl die drei Äpfel der Hesperiden zu ergänzen. Bei der Statuette handelt es sich um eine recht qualitätvolle Arbeit, wobei das ausgewogene Standmotiv polykletischen Einfluß aufweist. Trotz der leicht bestoßenen Oberfläche fällt zudem die weiche Modellierung der Körperformen und der Muskulatur auf.“

 

Die Nußbaumer Herkulesfigur kann zweifellos als eine der schönsten ihrer Art aus Baden-Württemberg bezeichnet werden [5].

Ohne die damalige Weitsicht von Jacob Gaus und Amtmann Mieg wäre die Bronzestatuette wahrscheinlich über die wechselvollen Geschehnisse der letzten zwei Jahrhunderte nicht für die Nachwelt erhalten geblieben.

 

Literatur:

[1]  Adam, Josef Nußbaum Dörfliches Idyll zwischen Pforzheim und Bretten 
[2] Dr. Wagner, Ernst Fundstätten und Funde aus vorgeschichtlicher, römischer und
alamannisch-fränkischer Zeit im
Großherzogtum Baden,
zweiter Teil Das
badische Unterland
[3] Nuber, Hans Ulrich  
Antike Bronzen aus Baden-Württemberg
[4] P. Kolb Die Römer bei uns. Bronzeguss nach dem Prinzip der verlorenen Form
[5] Persönliches Gespräch mit Fr. Dr. Nina Willburger

Zusammengestellt im September 2011 von Dipl.-Ing. Ewald Freiburger, Schriftführer Heimatverein Nußbaum e.V. mit freundlicher Unterstützung von Dr. Nina Willburger, Referatsleiterin Klassische und Provinzialrömische Archäologie im Landesmuseum Württemberg.

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